Das Ziel des Angebots «AMM Supported Employment 50+» ist es, Stellensuchende
über 50 Jahre, die kurz vor dem Ende ihres Arbeitslosentaggeldanspruchs stehen,
nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies wird durch individuelles
Coaching, engmaschige Begleitung und intensive Unterstützung bei der Stellensuche
erreicht. Dabei nutzt jobtimal.ch auch sein Netzwerk und seine Kontakte
zu Betrieben und Unternehmen.
Interessierte Stellensuchende aus dem gesamten deutschsprachigen
Teil des Kantons Bern, von Interlaken bis Biel, können sich
nach Erhalt eines Einladungsschreibens bei jobtimal.ch melden. In
einem Informationsgespräch wird das Angebot im Detail erklärt,
und aufkommende Fragen werden beantwortet. Die Teilnahme
bleibt jedoch freiwillig. Entscheidet sich jemand für das Angebot,
definieren Teilnehmende und Job-Coach gemeinsame Zielsetzung
und Strategie für die Stellensuche und überarbeiten gegebenenfalls
das Bewerbungsdossier. Weiter werden Ressourcen ausgearbeitet
und mögliche Arbeitsfelder eruiert. Auch Themen wie Gesundheit
und Sozialversicherungen können Bestandteil der Gespräche sein.
Sehr schwierig und belastend für die Betroffenen ist der drohende
Schritt in die Sozialhilfe. Viele der kurz vor der Aussteuerung stehenden
Teilnehmenden empfinden dies als massiven Einschnitt.
Während der Stellensuche passen die Teilnehmenden ihre Profile
in sozialen Netzwerken an, üben ihre Auftrittskompetenzen und
tätigen Bewerbungen auf dem verdeckten Arbeitsmarkt. Der Job-
Coach nimmt Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern auf und unterstützt
die Teilnehmenden bei ihrer Bewerbungsarbeit. Oft gewinnen
die Teilnehmenden in der Zusammenarbeit mit dem Job-
Coach neue Motivation, was wiederum für eine gewinnendere
Wirkung sorgt und zum Erfolg verhelfen kann; so etliche Rückmeldungen.
In der letzten Phase vor der Anstellung besteht die Möglichkeit,
einen allfälligen Einarbeitungsmehraufwand zusammen mit den
Arbeitgebenden, den Teilnehmenden und dem Job-Coach zu berechnen.
Das Angebot «AMM Supported Employment 50+» hat die
Möglichkeit, Betriebe finanziell zu entschädigen, wenn diese für
die Einarbeitung eines Mitarbeitenden nachweisbar mehr Aufwand
betreiben. Obwohl diese Option selten genutzt wird, kann sie in
einzelnen Fällen für die Einstellung eines Angebotsteilnehmenden
eine entscheidende Rolle spielen. Bei Bedarf können auch Bildungsmassnahmen
in einem gewissen Rahmen finanziert werden.
Zwischenbilanz
Seit Beginn des Pilotprojekts im August 2021 haben über 150 Personen
am Angebot «AMM Supported Employment 50+» teilgenommen.
Das Angebot wurde von den Teilnehmenden und den
Unternehmen einstimmig positiv aufgenommen. Bislang fanden
über 60 Prozent der Teilnehmenden eine bezahlte Anstellung. Die
Zusammenarbeit mit dem LAM Bern (Logistik arbeitsmarktliche
Massnahmen Kanton Bern) sowie den einzelnen RAV und deren
Beratenden verlief von Projektbeginn an zielgerichtet, konstruktiv
und unkompliziert. Kleinere Anpassungen bei Abläufen oder im
Projektdesign werden bei Bedarf laufend vorgenommen. Die Pro-
jektleitung des VSAA (Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden)
bietet regelmässig Updates, Klärungen und Austausche
mit involvierten Angeboten aus anderen Kantonen an.
Drei Monate vor Aussteuerung
Mit Konsternation reagierten die Teilnehmenden auf den späten
Zeitpunkt, an dem sie für dieses Angebot anspruchsberechtigt sind.
Dies bedauert auch die Anbieterseite aus fachlicher Sicht. Für einen
erheblichen Teil der Teilnehmenden hängt das Damoklesschwert
der kommenden Sozialhilfeabhängigkeit oder erzwungenen Frühpensionierung
bereits tief, was grossen Druck erzeugt und Energie
absorbiert, die besser in die Stellensuche investiert werden könnte.
Ausserdem ist seit Beginn der Arbeitslosigkeit viel Zeit vergangen
und die Energie für die Stellensuche häufig nur noch niedrig. Lediglich
15 Prozent der angeschriebenen und für das Angebot zugelassenen
Personen melden und entscheiden sich tatsächlich für die
Teilnahme am Angebot «AMM Supported Employment 50+». Über
Gründe für diese tiefe Rate lässt sich nur spekulieren: Systemmüdigkeit?
Erschöpfung? Bereits gewählte «Alternativen» wie Frühpensionierung?
Einladungsschreiben zu unklar – zum Beispiel
Freiwilligkeit – oder verlorenes Vertrauen in Behörden …? Der
VSAA versucht, in der laufenden Evaluation für die tiefe Teilnahmerate
Erklärungen zu finden.
Fachkräftemangel versus Altersguillotine
Der Fachkräftemangel ist in aller Munde, und viele Branchen sind
stark betroffen. Immer wieder kann im Kontext des Pilotprojektes
«AMM Supported Employment 50+» die Erfahrung gemacht werden,
dass trotz diesem Umstand ältere Arbeitnehmende nicht oder
eher zögerlich angestellt werden – was für die Angebotsteilnehmenden
doppelt frustrierend ist. Hier gilt es, noch viel Aufklärungsarbeit
zu leisten und Klischees aus dem Weg zu räumen. Stellensuchende
50 plus sind nicht teurer. Stellensuchende 50 plus sind
noch leistungsfähig. Stellensuchende 50 plus sind lernfähig. Auch
hier setzt das Engagement von jobtimal.ch an, und die Job-Coaches
können im Idealfall gegenüber Arbeitgebenden eine Lanze für die
eine oder den anderen Stellensuchende:n brechen.
Nichtsdestotrotz kann anhand der bisherigen Erfahrungen das
Angebot «AMM Supported Employment 50+» klar als Erfolg verbucht
werden. Dies zeigt sich einerseits an der sehr guten Vermittlungsquote,
andererseits anhand der Rückmeldungen von Teilnehmenden.
Ungewisse Zukunft
Der Pilot «AMM Supported Employment 50+» läuft noch bis Mitte
2024. Eine Zwischenevaluation ist auf Herbst 2023 geplant, die
Schlussauswertung seitens der Projektleitung und des Auftraggebers
erfolgt erst viel später. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen
und Erfolge bietet es sich an, das Angebot weiterzuführen. Um für
allfällig notwendige gesetzliche Anpassungen genügend Vorlaufzeit
zu haben, wäre aus Sicht von jobtimal.ch eine Weiterführung des Piloten
auch auf kantonaler Ebene denkbar. Der Kanton Bern mit seiner
Grösse, seinem sehr diversen Wirtschaftsbranchenangebot und
der Vielfältigkeit zwischen ländlichem Raum, Agglomerationen und
Städten bietet sich dafür geradezu an. Auf diese Weise liessen sich mit
wenig Aufwand Erfolgsgeschichten weiterschreiben, und Bern hat
erneut die Chance, sich als innovativer Kanton zu positionieren.
ZESO 2/23