Bis zu fünf Prozent der Stellen in der Berner Stadtverwaltung sollen für Personen mit Leistungseinschränkungen und geringer Qualifikation reserviert sein, fordert die FDP. Die Stadt zeigt sich offen.
Vor der Abstimmung über die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes waren sich alle einig: Es braucht mehr Stellen für Sozialhilfebezüger mit besonderen Bedürfnissen, damit diese wieder auf eigenen Beinen stehen können. Der Kanton hat dafür eigens eine Arbeitsgruppe mit der Wirtschaft eingesetzt, die aber keine handfesten Ergebnisse vorlegen konnte. Nun fordert die Stadtberner FDP in einem Positionspapier, dass bis zu fünf Prozent der Stellen in der Stadtverwaltung für solche Menschen reserviert sein sollen. «Die Stadt soll mit gutem Beispiel vorangehen», sagt Fraktionschef Bernhard Eicher.
Bei einem Etat von über 3000 Vollzeitstellen gebe es sicher die eine oder andere Aufgabe, die von solchen Arbeitnehmenden übernommen werden könnte. Eicher denkt dabei nicht allein an körperliche Arbeiten, sondern auch an «routinemässige Aufgaben» im Büro. «Die Stadt kann bei den Unternehmen nicht nur als Bittsteller auftreten», sagt der Politiker.
Teuscher will «Charta»
Bei der Sozialdirektion von Franziska Teuscher (GB) stösst er auf offene Ohren. Teuscher schlägt aber die Erstellung einer «Charta Arbeitsintegration Bern» vor. Darin sollen sich Stadtverwaltung, Unternehmen und «hoffentlich auch die Kantons- und Bundesverwaltung» gegenseitig zu Quoten verpflichten, die sie in einem bestimmten Zeitraum erreichen wollen, sagt Teuscher. Die Stadt selber sei bei der Anstellung von Personen aus der Sozialhilfe bereits heute «überdurchschnittlich engagiert».
Von den 188’000 Arbeitsplätzen in der Stadt Bern entfallen rund 4300 auf die Stadtverwaltung. Soll hier die geforderte 5-Prozent-Quote erreicht werden, müssten demnach 215 Personen mit besonderen Bedürfnissen angestellt sein. Wie viele tatsächlich in der Verwaltung arbeiten, ist unbekannt. Denn diese Stellen würden «aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes» nicht systematisch erfasst, sagt die Sozialdirektorin.
Teuscher weist darauf hin, dass das städtische Kompetenzzentrum Arbeit Personen aus der Sozialhilfe an mehr als 300 Partnerbetriebe im ersten Arbeitsmarkt weitervermittle. Zudem arbeite ein Sechstel der durch das Teillohnprojekt Jobtimal in den Arbeitsmarkt vermittelten Personen in der Stadtverwaltung. Das Projekt Jobtimal wurde 2013 von der Stadt lanciert und wird seit drei Jahren vom Kanton finanziert. Dabei bezahlen die Arbeitgeber eine Person mit besonderen Bedürfnissen nur für die effektiv geleistete Arbeit. Die Differenz zum Existenzminimum wird vom Sozialdienst übernommen.
Gewinnbringende Einsätze
Alle Projekte zur Arbeitsintegration haben aber mit demselben Problem zu kämpfen: Es gibt viel zu wenig Stellen für Personen mit Leistungseinschränkungen und für beruflich unqualifizierte Personen. «Dieses Problem kann die Stadt allein nicht lösen», sagt Teuscher.
In dieser Beziehung hat etwa das Teillohnprojekt Jobtimal Vorteile. So weist Präsident Bernhard Emch darauf hin, dass bei Jobtimal die Einsparungen bei der Sozialhilfe die Investitionen übersteigen würden. Zudem könnten Fachkräfte durch den Einsatz von Personen in der Arbeitsintegration freigespielt werden. «Ein Gärtnermeister etwa kann sich auf seine Fachaufgabe konzentrieren, wenn andere für ihn das Jäten übernehmen», sagt Emch.
Der Bund (Bernhard Ott), 8. September 2019: Link zum Artikel