Die Wirtschaft soll bei der Integration von Sozialhilfebezügern in den ersten Arbeitsmarkt helfen. Aber die Hindernisse dabei sind gross, wie die Erfahrung mit dem Projekt Jobtimal zeigt.
Eigentlich kann sich Bernhard Emch freuen. Denn die von der Fürsorgedirektion initiierte Arbeitsgruppe zur Förderung der Arbeitsintegration hat das Projekt Jobtimal zum Leuchtturmprojekt auserkoren. Emch ist Präsident des Vereins Jobtimal, der im Auftrag des Stadtberner Sozialamts Jobs für Sozialhilfebezüger im ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Der Status als Leuchtturmprojekt erlaubt es dem Verein, die Zahl der Coachs leicht zu erhöhen, welche die Klienten bei der Arbeit betreuen. Liftbauer Emch geht beim Projekt seit Jahren mit gutem Beispiel voran und hat im Rahmen von Jobtimal eine Person mit Leistungseinschränkungen im Teillohnmodell angestellt.
Dies bedeutet, dass Emchs Firma der Person einen reduzierten Lohn entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit bezahlt. Die Differenz bis zur Erreichung des Existenzminimums übernimmt die Sozialhilfe. Nach zwei Jahren erfolgt im Idealfall eine Direktanstellung. «Wir haben hervorragende Erfahrungen mit diesem Modell gemacht», sagt Emch. Sobald die Mitarbeitenden merkten, dass es sich bei ihrem Kollegen nicht um einen Schmarotzer handle, sei die Akzeptanz gross. Dafür brauche es aber von Anfang an die Information und den Einbezug der Mitarbeitenden, sagt Emch.
Erklärungsbedarf gibt es aber nicht allein bei den Mitarbeitenden von Emchs Betrieb, sondern vor allem bei den Unternehmern im Grossraum Bern, die Emch auch als Präsident der Sektion Bern des Handels- und Industrievereins (HIV) vom Teillohnmodell überzeugen will. «Der Wirtschaft fehlen nicht einfach Arbeitskräfte, sondern vor allem Fachkräfte», sagt Christoph Erb, Direktor des Gewerbeverbandes Berner KMU. Er sitzt selber im Beirat von Jobtimal und spricht von einem sehr guten Projekt. Erb weist jedoch darauf hin, dass Teillohnmodelle bei der Arbeitsintegration nur eine Übergangslösung sein können. Die Zahl der Personen, die schliesslich eine Direktanstellung erhielten, sei vergleichsweise klein (siehe Kasten). «Man kann den Betrieben nicht sagen, wen sie anzustellen haben», sagt Erb.
Für Emch ist klar, dass Projekte wie Jobtimal das Problem der Langzeitarbeitslosen nicht alleine lösen können. Für ihn wäre aber schon viel erreicht, wenn Unternehmer niederschwellige Arbeiten nicht ins Ausland verlagerten oder durch Roboter erledigen liessen, sondern durch Langzeitarbeitslose. Warum nicht mehr Unternehmer solche Personen anstellten, sei eines der Hauptthemen in der erwähnten Arbeitsgruppe der Fürsorgedirektion zum Thema Arbeitsintegration. Im Fokus stünden dabei auch administrative und gesetzliche Hindernisse.
Im Baugewerbe zum Beispiel gebe es zwar ein grosses Potenzial für niederschwellige Arbeitskräfte. Aber die im Landesmantelvertrag festgehaltenen Mindestlöhne verhinderten flexible Lohnmodelle für die Branche. «Kein Baumeister kann es sich leisten, für integrationsbedürftige Menschen einen Mindestlohn zu bezahlen», sagt Emch. Wie bei der Etablierung von Jobtimal selber würde es auch hier intensive Gespräche zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern brauchen – und allenfalls rechtliche Anpassungen. «Arbeitsintegration ist eine Herkulesaufgabe», bilanziert Emch.
Der Bund, 17.04.2018: Link zum Artikel